Gelomyrtol forte: Krankenkasse muss Kosten nicht erstatten

BSG, Urt. v. 06.11.08, B 1 KR 6/08 R

Der 1934 geborene Kläger leidet an einer chronischen Emphysembronchitis. Sein behandelnder Arzt, Vertragsarzt Dr. B., verordnete ihm deswegen seit 1983 regelmäßig das Fertigarzneimittel "Gelomyrtol forte". Weil es nicht verschreibungspflichtig ist und auch nicht in in den Ausnahmen der Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aufgeführt wird, verordnete Vertragsarzt Dr. B. nach Wirksamwerden der Neuregelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes ab Januar 2004 das Mittel nicht mehr, hielt aber aus hausärztlicher Sicht eine Weiterbehandlung hiermit für sinnvoll und notwendig. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag des Klägers vom 2.6.2004 ab, Kosten für "Gelomyrtol forte" zu übernehmen.

Das Bundessozialgericht hat bestätigt, daß die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen muss.

Seit Geltung des GKV-Modernisierungsgesetzes sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie "Gelomyrtol forte" von der Versorgung durch die Krankenkasse ausgeschlossen. "Gelomyrtol forte" gehört auch nicht zu den Ausnahmen, die nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und die deshalb mit Begründung vom Vertragsarzt verordnet werden können. Die gesetzliche Regelung ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Art 2 Abs 2 und 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative davon ausgehen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits vor dem 1.1.2004 in den Apotheken überwiegend ohne Rezept abgegeben wurden, es sich um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung handelte und deshalb der Ausschluss dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV verfassungsrechtlich zumutbar war. Dies und die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, sind hinreichende Sachgründe für den Leistungsausschluss, der zudem durch (vorliegend nicht einschlägige) Ausnahmen abgemildert ist.Dass der Gesetzgeber die nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel grundsätzlich nicht in den Leistungskatalog der deutschen GKV aufgenommen hat, verstoße auch nicht gegen Europäisches Recht. Das habe der EuGH in der Sache Pohl-Boskamp (EuGHE I 2006, 10611) bereits hinreichend klar entschieden. Bundessozialgericht, Urteil vom 06.11.2008, B 1 KR 6/08 R (Pressemitteilung des Gerichts)